Entsprechend reformierter Tradition verzichteten die Erbauer reformierter Predigthäuser auf jeden sakralen Schmuck. Mit Glasmalereien waren im 17. Jahrhundert überhaupt nur wenige Kirchen ausgestattet. Die zeitgenössische Baukunst legte das Gewicht auf andere Gestaltungselemente.
Im „Jülicher Land“ erhielten nur die reformierten Predigthäuser in Kirchherten, Jüchen, Gladbach und Süchteln farbig bemalte Fensterscheiben. Ausnahmslos handelte es sich dabei um heraldische Darstellungen. In Jüchen sind diese Zeugen barocker Glaskunst verloren gegangen. Das alte Gladbacher Predigthaus wurde im 19. Jahrhundert abgebrochen; die Wappenfenster kamen in Privatbesitz. Von den Süchtelner Glasmalereien sind nur noch Reste übrig.
Am besten sind die Wappenfenster in Kirchherten erhalten. Von ursprünglich vier Wappenfenstern existieren noch zwei. Sie finden sich heute beiderseits des Predigtstuhles: links das Bylandt-Fenster und rechts das Dorotheen-Fenster.
Das Bylandt-Fenster
In den Jahrzehnten der Gegenreformation wurden die reformierten Gemeinden des Jülicher Landes oft schwer bedrängt. 1626 war in Kirchherten das reformierte Predigthaus konfisziert worden. Viele Jahre konnte man sich nur an heimlichen Orten zum Gottesdienst versammeln. Ohne Hilfe von außerhalb wäre die Gemeinde womöglich untergegangen. Als später wieder eine Kirche gebaut werden konnte, stifteten ehemalige Gönner zwei Fenster. Von ihnen haben sich nur Teile erhalten, die im 19. Jahrhundert zu einem Fenster zusammengefügt wurden. Die Wappen erinnern an gelebte christliche Solidarität in schwerer Zeit.
In der nahe gelegenen Stadt Rheydt war das Grafengeschlecht Bylandt ansässig. Die Familie hatte schon im 16. Jahrhundert das reformierte Bekenntnis angenommen. In den mittleren Feldern des Fensters sieht man links das Wappen des Reichsfreiherrn Florenz Otto Heinrich von Bylandt, rechts daneben das in Teilen ergänzte Wappen seiner Gemahlin Louisa, geborene Burggräfin zu Dohna.
Links unten befindet sich das Wappen des Johann von Gangelt, rechts daneben das seines Bruders (?) Philipp. Beide waren Amtmänner der Bylandtschen Grafen. Außerdem waren sie verschwägert mit dem reformierten Prediger Johann Türck, der vor 1653 in Linnich und Kirchherten wirkte.
Die oberen Felder zeigen die Wappen von zwei weiteren Gönnern der Kirchhertener Gemeinde: Philipp Hack (links) und Johannes Lebrun (rechts), prominente Mitglieder der niederländisch-reformierten Gemeinde in Köln.
Unterhalb der gräflich-Bylandtschen Wappen schwebt ein Posaunenengel. Möglicherweise gehörte er ursprünglich zu einem weiteren, verloren gegangeneren Wappen.
Das Dorotheen-Fenster
Mit dem Ende des Erbschaftsstreites um die ehemaligen Herzogtümer Kleve-Jülich Berg-Mark kam die reformierte Gemeinde in Kirchherten von 1671 bis zum Einmarsch der Franzosen 1794 unter die Herrschaft eines katholischen Landesherren. Die erbenden Fürsten von Pfalz-Neuburg (römisch-katholisch) und Brandenburg (reformiert) sicherten einander vertraglich zu, daß sie die bestehenden Gemeinden der jeweils andere Konfession in ihrem Herrschaftsbereich tolerierten. Vertragsbruch hätte Krieg bedeutet. So wurden das Haus Brandenburg für die Reformierten in Kirchherten zur extraterritorialen Schutzmacht. Nach den Erfahrungen der zurückliegenden Jahrzehnte war sicher beruhigend, nicht nur auf Gottes Hilfe sondern auch auf die Truppen eines mächtigen Kurfürsten hoffen zu dürfen. Sinnfällig wurde dies der Gottesdienstgemeinde dadurch gemacht, daß Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg (der „große Kurfürst“) und seine Gemahlin Sophia Dorothea der neugebauten reformierten Kirche in Kirchherten zwei Fenster mit ihren Wappen stifteten. Von den beiden Brandenburger Fenstern ist nur noch das der Kurfürstin erhalten.